Fahrradschlösser: Kaufberatung für die Großstadt
Der User Sonnenfels aus dem MTB-Forum hat einen besonders hilfreichen Beitrag zum Thema Fahrradschlösser gerschrieben:
Nach dem Lesen von Expertentipps, Tests und Foreneinträgen war ich verwirrter denn je. Nimm dies, nimm das, binde dir dein Fahrrad am Leib fest, kauf dir ne Stadtschlampe. Die einzige Übereinstimmung war: Absolute Sicherheit gibt es nicht. Jedes Schloss lässt sich knacken. Es kommt nur auf die Zeit und das verwendete Werkzeug an. Wenn ein Profi dein Fahrrad haben will, dann bekommt er es auch. Das einzige, was ein Fahrradschloss kann, ist den Dieb unter Druck zu setzen. Die Zauberworte lauten Zeit und Aufmerksamkeit. Für den Rest gibt es die Versicherung.
Die wichtigste Aufgabe eines Fahrradschlosses in einer Großstadt ist es, das Fahrrad irgendwo festzubinden und den Dieb möglichst lange davon abzuhalten, es von dort wegzufahren oder zu tragen. Nach Aussage der Polizei nimmt sich ein Dieb durchschnittlich drei Minuten Zeit, das Schloss zu knacken. Dann gibt er auf und sucht sich eine leichtere Beute. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass dies nur ein Durchschnittswert ist. Meist dauert das Knacken eines Schlosses nur wenige Sekunden. Bei guten Fahrrädern wird sich der Dieb deshalb auch vermutlich durchschnittlich mehr Zeit lassen.
Was ist ein gutes Fahrrad? Nach Aussage von Polizei und Fahrradverbänden interessieren sich Diebe weniger für die 5000-Euro-Rennmaschine als für ein gutes Bike von der Stange. In zwei Drittel der Fälle werden Fahrräder von mittlerer Qualität für den eigenen Gebrauch gestolen, so der ADFC. Für die Beschaffungskriminalität sind eher bekannte Markennamen von Interesse, die in großen Stückzahlen produziert werden und sich gut verkaufen lassen.
Bei den Tests müssen die Fahrradschlösser wegen der Polizeiangabe nur 3 Minuten überstehen. Die Tester dürfen allerdings auch schweres Werkzeug einsetzen und sind Profis beim Öffnen des Schlossmechanismus (intelligentes Öffnen). Übersteht das Fahrradschloss trotz aller zur Verfügung stehender Werkzeuge den 3-Minuten-Test, wird es schon als tauglich eingeschätzt. Meist versucht der Dieb, das Fahrrad mit roher Gewalt zu öffnen. Dabei kommen Seitenschneider, Blechscheren, Hammer, Eisspray, Bolzenschneider, Säge und sogar Wagenheber und Akkuflex zum Einsatz. Hammer, Eisspray, Bolzenschneider, Säge, Wagenheber und Akkuflex sind allerdings schwer und verursachen Aufmerksamkeit.
Weniger verbreitet ist dagegen das intelligente Öffnen per Lockpicking und Schlagschlüssel. Es ist deutlich unauffälliger, der Dieb benötigt allerdings Spezialwissen und für jedes Schloss das passende Werkzeug. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Fahrrad von Gelegenheitsdieben auf diese Art geklaut wird, ist sehr gering. Einen Antipicking-Schutz sollte das Schloss dennoch haben, sonst kann es von jedem Amateur mit zwei Büroklammern innerhalb von Sekunden geöffnet werden. Beispiele dafür gibt es auf YouTube zuhauf. Am effektivsten sollen derzeit Scheibenzylinder gegen derartige Manipulationsversuche schützen. Sie sind an einem Schlüssel erkennbar, der langen, dünnen und runden Bart hat.
Das neue Fahrradschloss sollte also eine gewisse Zähigkeit gegenüber schwerem Werkzeug haben und idealerweise einen Abschließmechanismus, der nicht durch intelligentes Öffnen überwunden werden kann. Bei Kabelschlössern reicht schon der Seitenschneider oder die Blechschere. Auch bei den dicken! ALLE KABELSCHLÖSSER, auch die mit 15 cm Dicke, sind in allen Tests DURCHGEFALLEN. Ich möchte darauf extra hinweisen, weil mir ein Fahrradhändler stolz sein im Baumarkt gekauftes, dickes Kabelschloss zeigte und meint, das sei super. Ich kann dazu nur sagen, kauft kein Kabelschloss!
In den Tests bewährt haben sich dagegen Bügelschlösser, Kettenschlösser, Panzerkabelschlösser und Faltschlösser. Bügelschlösser sind das Nonplusultra in Sachen Sicherheit. Sie sind mechanisch kaum kaputt zu kriegen. Auch an den neuen Faltschlössern bissen sich die Tester die Zähne aus. Hochwertige Panzerkabelschlösser von Abus und Trelock erwiesen sich als fast ebenso wehrhaft. Hier sollte man allerdings im Zweifel lieber mehr Geld ausgeben und im Fachhandel zur Marke greifen. Im Test 2007 von Stiftung Warentest (Link) hielten einige Produkte nur wenig länger über das Zeitminimum hinaus durch. Kettenschlösser bieten ebenfalls guten Schutz gegen Bolzenschneider und Säge, die preiswerten versagen aber anscheinend schnell beim Einsatz von Hebelwerkzeugen, wie der Test von Trekkingbike 2004 (Link) ergab.
Soweit die Tests, nun zu den praktischen Überlegungen. Leider setzen die Hersteller noch immer auf die Formel: je schwerer, desto sicherer. Das mag zwar stimmen, aber ein niedriges Gewicht ist im Fahrradbereich ein hoher Wert. Nicht nur für mich, in den Foren hab ich mehrfach gleichlautend gelesen: Ich gebe doch nicht Hunderte Euro extra aus, um ein paar Gramm Gewicht zu sparen, und hänge mir dann so ein 2-Kilo-Monster ans Rad. Und es geht noch höher. Die besten Kettenschlösser von Abus und Kryptonite kommen locker an die 4- und 6-Kilo-Marke. Die Hersteller sparen Gewicht lediglich dadurch, dass sie die Schlösser möglichst kurz halten.
Kurz dürfen die Fahrradschlösser aber auch nicht sein. Was nützt mir die Empfehlung der Experten, das Fahrrad am besten unter eine Laterne zu stellen, wenn ich es dort nicht anschließen kann, weil das Schloss beim besten Willen nicht drumherum passt. Oder sich der Dieb mein mit einem dicken Schloss gesichertes Fahrrad einfach ins Auto schmeißt, während Hundert andere stehen bleiben, weil sie mit einem 8-Millimeter-Kabelschloss angebunden sind.
Am leichtesten sind Bügelschlösser. Sie wiegen im Schnitt 1 Kilogramm. Mit einer Länge von grob gerechnet 70 cm (Länge mal 2 plus Breite) sind sie aber auch die kürzesten Fahrradschlösser. Der ADFC gibt als Empfehlung ein möglichst langes (300 mm) und möglichst breites (12,x mm) Bügelschloss zu kaufen. Damit sollte man in fast allen Fällen “Anschluss” finden, was meine Erfahrung bestätigt. Faltschlösser sind im Alltag meiner Meinung nach mit Bügelschlössern zu vergleichen. Sie bieten zwar eine Länge von bis zu 90 cm, die Nutzbare Innenlänge ist aber durch die breiten Glieder und die geringe Flexibilität nur unwesentlich höher. Das Gewicht ist mit 1,2 Kilogramm oder 1,6 Kilogramm schon höher.
Deutlich mehr Spielraum hat man mit Panzerkabelschlössern. Es gibt sie in Längen bis zu 2,20 Metern. Im Stadtalltag reicht jedoch meiner Meinung nach eine Länge ab 1,10 oder 1,20 Metern aus, um sie um fast alles herumschlingen zu können. Das Gewicht fängt bei moderaten 1 Kilogramm an, steigert sich aber je nach Sicherheitsbedürfniss schnell bis in den 3-Kilogramm-Bereich (ohne jedoch an Länge hinzuzugewinnen). Den meisten Freiraum bieten meinem Gefühl nach Kettenschlösser. Sie sind allerdings auch am schwersten. Unter 1,7 Kilo wiegt ein gutes Schloss nicht. Nach oben hin ist das Gewicht offen.
Weniger als 8 Millimeter sollte die Kettenglied-Dicke eines Schlosses jedoch nicht betragen. Alles darunter ist anscheinend Schmuck für den Dieb. Die Steel-O-Chain 810 von Abus mit 8-Millimeter-Gliedern erreichte im Test von Stiftung Warentest lediglich ein “Befriedigend”. Der britische Verbandes für Sicherheitstechnik, Sold Secure (Link), bewertete das Kettenschloss nur mit Bronze, also gerade einmal abschreckend für Gelegenheitsdiebe. Das CitiyChain 1010 und CityChain1060, ebenfalls von Abus und mit 10-Millimeter-Kettengliedern sowie besserem Schloss, bekamen vom Verband dagegen Gold.
Was ist nun also ein gutes Schloss? Es gibt zwei Aussagen: “Ein gutes Schloss soll etwa 5 bis 10 Prozent des Fahrradwertes kosten.”, und “Es gibt gute Schlösser bereits ab 30 Euro”. Ja was denn nun? Am Preis lässt sich die Qualität des Schlosses leider nur bedingt ablesen. Auch die Einstufungen der Hersteller bieten meiner Meinung nach nur grob eine Richtung. Trelock bewirbt beispielsweise ein Kabelschloss mit Stiftzylinder als “Hohe Sicherheit gegen Profidiebe”. Das glaube ich erst, wenn es mir ein Test bestätigt. Abus bezeichnet Level 15 bei Fahrrädern als höchste Sicherheit. Doch warum haben die Schlösser für Motoräder noch höhere Sicherheitsstufen?
Eine bessere Orientierung bieten unabhängige Institute und Verbände. Der ADFC hat auf seiner Website eine Liste empfehlenswerter Fahrradschlösser zusammengestellt (Link), ebenso die VDS Schadenverhütung GmbH, die im Auftrag von Versicherern Schlösser prüft (Link). Die dort aufgeführten Fahrradschlösser werden sogar von den Versicherungen anerkannt. Ähnlich ist es beim britischen Verband für Sicherheitstechnik Sold Secure (Link, englisch).
Ansonsten gilt: Absolute Sicherheit gibt es nicht. Kernziel ist also die Abschreckung von Gelegenheitsdieben, die das Fahrrad für sich oder die Teile zum Verkauf haben wollen. Allerdings nicht nur optisch, sondern auch physisch. Denn mit Sicherheit wird der eine oder andere trotz des brachialen Aussehens des Fahrradschlosses sich daran versuchen, gerade in einer Großstadt. Das Schloss sollte außerdem lang genug sein, um das Fahrrad möglichst überall anschließen zu können, und leicht genug, um es auch immer mitzunehmen. Eine zusätzliche Befestigung für das Schloss am Fahrrad ist ein Pluspunkt. Zwei Kilogramm Zusatzgewicht sollten derzeit eingeplant werden, darunter ist ausreichende Sicherheit wohl nicht erhältlich.
Ich habe mich nach reiflicher Überlegung für zwei Schlösser entschieden. Das eine ist das Panzerkabelschloss Rottweiler 5024 von On-Guard mit einer Länge von 120 cm und einem Gewicht von rund einem Kilogramm. Es hat den Drei-Minuten-Test bestanden und außerdem einen borgeschützten Scheibenzylinder. Es kostet nur 30 Euro und sollte tagsüber ausreichen. Für das längere Parken meines Rades bei Nacht kommt noch ein kleines Bügelschloss hinzu, als Wegfahrsperre.
Hier geht’s zum kompletten Beitrag: –> Fahrradschlösser: Kaufberatung für die Großstadt